Internationales Widerstands-Seminar in Berlin

Plöner Schülerinnen und Schüler nehmen an internationalem Widerstands-Seminar der Goerdeler-Stiftung in Berlin teil (13.-17. November 2023)

Ein Bericht

Als wir uns am frühen Freitagnachmittag von unserem Quartier im Berliner Bezirk Tiergarten aus auf den Weg zum Bahnhof Zoo begaben, um unseren Zug für die Rückreise nach Plön zu erreichen, hätte uns der Türkische Präsident Erdogan, der an diesem Tag in Berlin zu Gast war, fast noch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bis dahin hatte alles prima geklappt …

Wir waren am vorausgehenden Montag um 5.13 Uhr alle pünktlich zur Abfahrt in Richtung Berlin am Bahnhof gewesen (Mika und Titus saßen schon im Zug, der von Kiel anrollte), hatten alle Anschlusszüge bekommen, dann fünf interessante Tage in Berlin erlebt, dort Schülerinnen und Schüler von Schulen aus Leipzig, Warschau und Lyon kennen gelernt und eine Menge über den Widerstand gegen die Nazis während der Jahre 1933-1945 und gegen die SED-Diktatur in der DDR erfahren. Tagsüber waren wir meist in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße, abends ging es dann wieder in die nahegelegene Jugendherberge zum Abendbrot und danach dann meist noch wieder raus zu einer weiteren Runde „Berlinologie“. Außerdem hatten wir bereits auf dem Hinweg am Montag einen Abstecher nach Potsdam unternommen und am nahen Schwielowsee den „Ehrenhain“ der Bundeswehr erkundet. Dort wird der in Auslandseinsätzen verstorbenen Bundeswehrangehörigen gedacht.

Nach dem Einchecken in der Jugendherberge sind wir dann gleich am ersten Abend nach dem Abendbrot noch wieder los nach Berlin-Kreuzberg und haben dort den Viktoriapark erkundet, während Herr Kraack sich mit den anderen Lehrern zu einer Vorbesprechung traf. Der Dienstag war dann in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand den persönlichen Schicksalen von Menschen gewidmet, die gegen den Nationalsozialismus, gegen die SED-Diktatur oder gegen den Kommunismus in Polen Widerstand geleistet hatten. Es waren uns bis dahin völlig unbekannte Menschen aus Polen, Frankreich, der DDR und Dänemark, die von Schülerinnen und Schülern in kleinen Filmen, in Form von selbst verfassten Zeitungsartikeln oder auf Plakaten vorgestellt wurden. Wir selbst hatten am Beispiel der Erlebnisse einer Gruppe von Plöner NPEA-Jungmannen, die im Frühjahr 1941 nach Kopenhagen gereist waren, einige Fälle zum dänischen Widerstand beleuchtet, auf die Herr Kraack bei der Beschäftigung mit der Geschichte der NPEA Plön gestoßen war. Nachmittags haben wir dann auf der Basis einer von Herrn Kraack ausgearbeiteten Art Stadtrallye in international gemischten Gruppen Berlins Mitte erkundet. Das war dann schon „Berlinologie“ für Fortgeschrittene. Dabei haben wir das Denkmal für die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Bebelplatz kennen gelernt, außerdem den Architekten Karl Friedrich Schinkel und den Dichter Bertold Brecht; überdies sind wir am Gendarmenmarkt gewesen und haben uns dort über das Edikt von Potsdam informiert, mit dem der damalige brandenburgische Kurfürst französischen Glaubensflüchtlingen (den „Hugenotten“) im Jahre 1685 eine neue Lebensperspektive in seinem Herrschaftsgebiet eröffnete. Richtig spannend, wenn man das vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Flüchtende und Asylrecht betrachtet. Was man lange Zeit unter den Stichworten Flucht und Asyl in den Geschichtsbüchern fand, ließe sich entsprechend auch als eine Form der geregelten Arbeitsmigration beschreiben.

Am folgenden Tag waren wir vormittags wieder in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und haben uns dort mit einer Ausstellung zu „stillen Helden“ des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus beschäftigt. Nachmittags waren wir Plöner dann dran und haben die anderen Mitglieder der Seminargruppe durch die aktuelle Ausstellung zur „Alternativgeschichte“ („Was wäre wenn?“) im Deutschen Historischen Museum mit dem Titel „roads not taken“ („Pfade, die nicht beschritten wurden“) geführt. Dabei haben wir uns auf das für die Seminargruppe besonders zentrale Beispiel des misslungenen Hitler-Attentats am 20. Juli 1944 konzentriert. Die sich daraus und aus dem Beispiel des Mauerfalls 1989 eröffnenden Diskussionen haben zu interessanten neuen Einsichten über den wirklichen Verlauf der Ereignisse geführt.

Am Donnerstag ging es dann wieder in die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, wo wir eine von den Leipzigern mitgebrachte Ausstellung der Robert Havemann-Gesellschaft in Form von Rollups zum Widerstand der alternativen Jugendbewegungen in der DDR anschauten und hinterher einen DDR-Regimegegner als Zeitzeugen befragen durften. Dieser war im Jahre 1963 geboren worden und hatte als Sohn eines Pfarrers erhebliche Repressionen zu erdulden, durfte etwa weder das Abitur machen noch studieren und wurde immer wieder von der Polizei und von der Staatssicherheit verhaftet und verhört. Er selbst berichtete ehrlich und nüchtern und erzählte am Ende auch noch Einzelheiten über seine Erlebnisse im Jahre 1989, als die Mauer fiel und viele Regimegegner in der DDR zwar auf einen Sturz der SED-Diktatur, nicht aber auf einen Anschluss der DDR an die Bundesrepublik hinarbeiteten.

Am Donnerstagabend stand dann ein ganz besonderes Highlight auf dem Programm. Wir Plöner hatten uns schon am Tag zuvor Karten für die Reichstagskuppel bei Nacht besorgt und konnten nun den klaren Nachthimmel über Berlin und die an vielen Orten hell erleuchtete Stadt genießen – das war klasse und wir blieben viel länger als geplant! Damit war dann aber auch die Woche schon beinahe wieder vorüber.

Als die anderen Gruppen am Freitag abgereist waren, wollten wir noch wieder zu einer kleinen Stadterkundung aufbrechen, etwa das Naturkundemuseum oder das Ethnologische Museum im Humboldtforum anschauen. Doch dann kam alles anders, denn wir stellten beim Auschecken zunächst einmal fest, dass uns eine Handtasche mit einem vollen Portemonnaie einschließlich Bargeld, Kreditkarten etc. und einem Reisepass fehlten. Wir rekonstruierten rasch, dass wir das am vergangenen Abend nur in einem bestimmten Restaurant in Charlottenburg hatten liegen lassen können. Als ein Anruf Sicherheit gab, dass das gute Stück wirklich dort liegen geblieben und inzwischen gefunden worden war, mussten wir es bei Öffnung des Restaurants zunächst einmal abholen. Vorher fuhren wir zunächst zum Ernst-Reuter-Platz, wo wir hoch oben im 20. Stock des „Telefunkenhochhauses“ (das war dann gewissermaßen „Berlinologie“ für Abgehobene), in dem Herr Kraack früher gearbeitet hatte, einen Kakao tranken und die tolle Aussicht genossen. Dann ging es zu dem Restaurant nach Charlottenburg in die Joachimsthaler Straße. Als die Handtasche sichergestellt und dieser Schock überwunden war, machten wir uns noch wieder auf nach Ostberlin, und zwar in den Friedrichshain, wo wir uns den „Friedhof der Märzgefallenen“ ansahen, auf dem Opfer der Revolutionswirren von 1848 und von 1918/19 begraben waren. – Auch das hat uns sehr beeindruckt (und Herr Kraack kannte den Friedhof mit seinen interessanten Denkmälern noch nicht!).

Als wir uns dann noch wieder in zwei Gruppen aufgeteilt hatten, von denen die eine direkt ins Quartier zurückfuhr und die andere noch einen Abstecher in die „Mall of Berlin“ machte, wurde es noch einmal wirklich eng, was die Rückreise anging. Wir hatten nämlich nicht recht bedacht, dass der Aufenthalt des Türkischen Präsidenten Erdogan ganze Straßenzüge und Stadtbezirke abriegeln und blockieren würde. Aber das nützte nichts, es galt auf einmal überall Sicherheitsstufe 1, und nichts ging mehr – auch das war Berlin, und es war ein ziemlich nerviges Berlin. So kamen wir nach ärgerlichem Stau und langem Warten erst mit zehn Minuten Verspätung am Bahnhof Zoo an, doch – o Wunder – hatte der Zug, in den wir einsteigen wollten, dann gleich 30 Minuten Verspätung und war vollkommen überfüllt. So mussten wir arg zusammenrücken, zeitweise auf der Treppe und auf einem der Koffer sitzen, bis es nach Nauen und Wittenberge langsam ein wenig leerer wurde. Dann erreichten wir zum Glück die Anschlüsse in Bad Kleinen und Lübeck und kamen – trotz Erdogan, Odeg, Deutscher Bahn und Erixx – sogar relativ pünktlich gegen 20.45 Uhr wieder in Plön an. – Erschöpft, aber eben auch mit dem guten Gefühl, dass wir interessante Dinge erlebt, viel gelernt und eine Menge netter Menschen aus Frankreich, Polen und Sachsen kennen gelernt hatten. – Schön, dass unsere Schule uns die Teilnahme an der Veranstaltung ermöglicht hat, die die Goerdeler-Stiftung finanzierte.

Anne R., Detlev K., Luna Sch., Maria Sofia V., Mika Sch., Ole M., Titus Z.

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