Ex-Neonazi Philip Schlaffer hält Vortrag am GSP

Am 5.10. besuchte uns Phillip Schlaffer im GSP, um uns über die Gefahren des Rechtsextremismus aufzuklären. Entgegen aller stereotypischen Erwartungen ist Phillip in der Gemeinde Stockelsdorf in einem Akademikerhaushalt aufgewachsen. Im Alter von 10 Jahren führten seine Eltern ein, laut ihm, “fürchterliches Gespräch” mit ihm, da sie aufgrund des Jobs seines Vaters nach Newcastle in England umziehen mussten – gegen seinen Willen. Aus seinem sozialen Umfeld herausgerissen, brauchte er einige Zeit, um sich in England zurechtzufinden. Nachdem er sich erfolgreich eingelebt hatte und seinen Abschluss an der Middle School geschafft hatte, offenbarten seine Eltern ihm, dass sie wieder zurückziehen würden.

In Deutschland angekommen, versuchte er, an seine alten sozialen Netzwerke anzuknüpfen. Dies war jedoch nicht möglich, da er während seiner Zeit in England keinen Kontakt gehalten hatte und sich seine Freunde anders entwickelt hatten. Da er die letzten 4 Jahre quasi nur Englisch gesprochen hatte, war auch der schulische Anschluss schwer, weshalb sich seine Noten stark verschlechterten. Bei ihm zu Hause war “der Haussegen an gute Noten geknüpft”, weshalb schlechte Noten einen starken Einfluss auf sein familiäres Leben hatten.

Durch die dadurch entstandene Anschlusslosigkeit fand er andere, die ebenso anschlusslos waren wie er. Zur gleichen Zeit kam er auch das erste Mal mit rechtsextremem Gedankengut, in Form von Rechtsrock, in Berührung. Schlaffer und seine Freunde radikalisierten sich immer weiter, indem sie versuchten, sich mit immer extremistischeren Aussagen gegenseitig zu übertrumpfen. Im Alter von 17 Jahren war die Radikalisierung so weit fortgeschritten, dass er sich einen “rechtsextremen Fußball-Hooligan” nannte. Daraufhin kam er immer wieder in Kontakt mit der Polizei und schaffte sich sogar eine AK47 an. Zu diesem Zeitpunkt hat er kaum noch mit seinen Eltern gesprochen – wenn doch, dann gab es Streit.

Nach drei Jahren, die von Hass, Gewalt, Neonazismus und vielen Auseinandersetzungen mit der Polizei geprägt waren, zog Phillip mit seiner damaligen Freundin nach Wismar und gründete die rechtsextreme Organisation “Kameradschaft Werwolf”. Gleichzeitig gründete er einen Versandshop, der bundesweit Tonträger mit rechtsextremer Musik und rechtsextremem Merchandise verkaufte. Zusammen mit der Organisation terrorisierte er “die ganze Stadt”.

Doch nach einigen Jahren im Rechtsextremismus und vielen Auseinandersetzungen mit anderen Extremisten und der Polizei wurde ihm das Leben mit der Zeit zu anstrengend. Er sagt, das Leben im Extremismus sei enttäuschend gewesen, und nach zwei einschneidenden Erlebnissen – einem Überfall aus dem eigenen Milieu und einem durch seine “Kameraden” ausgeführten Totschlag, der laut ihm wegen einer “Kleinigkeit” passierte – kehrte Phillip der “Kameradschaft Werwolf” den Rücken zu.

Nach 15 Jahren im Rechtsextremismus bestand die Möglichkeit, sich von Hass und Gewalt zu lösen. Stattdessen wurde er 2008 Mitgründer der Rockergruppe “Schwarze Schar MC” und wurde zu ihrem Präsidenten. Sie verdienten ihr Geld im Rotlichtmilieu und durch Drogenhandel – laut eigenen Aussagen war er “multikriminell”. 2011 war er für ein halbes Jahr in der JVA, da die Zeugen sich jedoch nicht trauten auszusagen, wurde er wieder freigelassen und fühlte sich “unbesiegbar”. Doch das Leben als Rockerboss stellte sich als sehr anstrengend heraus: Er litt unter konstantem Verfolgungswahn – selbst beim Spazierengehen mit dem Hund nahm er eine Waffe mit.

Irgendwann wurde es so schlimm, dass er eine psychosomatische Störung bekam. Aufgrund dieser Tatsachen schied Phillip 2012 aus der Rocker-Gang aus und kehrte nach Jahren zu seinen Eltern zurück, um sich endgültig von Hass und Gewalt zu lösen. In einem Telefonat, kurz nach seinem Austritt, sagte Phillip zu seiner Mutter: “Mama, ich glaube, ich habe mein Leben ruiniert, ich kann nicht mehr.” Nach einiger Zeit bei seinen Eltern holten seine Taten ihn jedoch ein, und er musste noch im selben Jahr in die JVA Stralsund. Im Jahr 2016 wurde er entlassen und begann bald danach seine Laufbahn als Antigewalt- und Deradikalisierungstrainer, welcher er bis heute nachgeht. Er hält bundesweit Vorträge zum Thema Extremismus und ist Referent bei Extremislos e.V.

Als Schülerinnen und Schüler hat es uns sehr gefreut, Phillip bei uns an der Schule begrüßen zu dürfen. Wir fanden seinen Vortrag sehr aufschlussreich und haben viel mitgenommen. Wir danken Phillip Schlaffer sowie dem “Förderverein Medienkompetenz an Schulen” der Sparkasse, den Butenplönern und dem Verein der Eltern und Freunde für die Möglichkeit, diesen informativen Vortrag zu ermöglichen. Ein besonderes Dankeschön gilt Frau Belker, unserer Geschichtslehrerin, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre.

Johannes Dürr & Marek Winter aus der Q1g

WAS HABT IHR VON DEM VORTRAG MITGENOMMEN? WAS HABT IHR GELERNT?

(Antworten von Schüler:innen)

  • “Wie einfach es sein kann, in extreme Gruppen zu rutschen und welche macht die idiologische Überzeugung über einen selbst haben kann.”
  • “Menschen können sich ändern. Sie müssen es nur wollen und es ist ein Prozess über einen längeren Zeitraum.”
  • “Keine Vorurteile für eine Person zu haben, wenn man sie noch nicht kennt.”
  • “Dass die Verhältnisse in den man aufwächst nicht immer dafür veranwortlich sind, in extreme Gruppen abzurutschen.”
  • “Dass das Thema nicht so simple ist wie man vielleicht denkt.”
  • “Das egal was passiert, es immer wichtig ist jemanden zu haben, mit dem man ordentlich reden kann und auch schwache Zeiten zeigen kann.”
  • “Wie komplex und verzwickt so eine “Gesellschaft”/Grupperierungen, auch Szenenübergreifend (Rechtsextremisnus – Rockerszene) sein kann, wodurch es schwerer wird auszusteigen.”
  • “Welche Beweggründe es für politisch extreme Menschen gibt und wie diese immer extremer werden.”
  • “Das Menschen sich ändern können und man Personen unvoreingenommen begegnen sollte”